Jugendwohnen im Kiez: Inklusion gestalten – Teamfahrt 2025

Sommerzeit, Juwo reist! Am 20. Juni 2025 brachen 270 Mitarbeitende von Jugendwohnen im Kiez zur jährlichen Teamfahrt auf. Bei bestem Sommerwetter bestiegen die Kolleg*innen um 8 Uhr morgens die Busse in Richtung Seezeit-Resort am Werbellinsee. Das Thema in diesem Jahr lautete „Inklusion”.

Inklusion ist eine Frage der Haltung und der Handlung

Tim Redfern, Referent des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, beschäftigt sich dort seit sieben Jahren mit Inklusion und der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. In seinem Impulsvortrag ging es sowohl um den aktuellen Stand von Inklusion in unserer Gesellschaft als auch spezifisch um Inklusion als Querschnittsaufgabe der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Sozialen Arbeit. Inklusion zielt auf die Veränderung des Systems ab, um die Chancen auf Gleichberechtigung für Menschen mit Behinderung, mit Migrationshintergrund oder aus dem queeren Spektrum zu verbessern.

Tim Redfern betonte, dass das Recht auf Teilhabe zwar geltendes Recht in Deutschland ist, bisher jedoch nur wenigen Menschen gewährt wird. Laut Redfern sind es häufig diejenigen, deren Eltern über die entsprechenden sozioökonomischen Ressourcen verfügen, um diese Rechte einzuklagen. Inklusion sei deshalb eine Querschnittsaufgabe der Sozialen Arbeit und müsse auf drei Ebenen gedacht werden: Kultur (Haltung), Struktur (Rahmenbedingungen) und Praxis (Alltagshandeln). Nur wenn all diese Punkte aktiv bearbeitet werden, kann Inklusion in Unternehmen erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden.

„Inklusion ist keine Zusatzaufgabe, kein ‚nice-to-have‘ – sie ist längst eine gesetzliche und fachliche Anforderung an soziale Arbeit“, so Tim Redfern.

Vormittags ging es in kleinen Workshop-Gruppen weiter. Zur Auswahl standen beispielsweise die Themen „Barrierefreiheit“, „Autismus, AD(H)S und Co.“, „Leichte Sprache“  oder „Junge Menschen mit Borderline-Störung verstehen“. Insgesamt wurden 20 Themen zur Inklusion angeboten.

Workshop „Autismus, AD(H)S und Co. – Neurodiversität in der pädagogischen Praxis“

(Altersgruppe: Kita & Grundschule) mit Johannes Kosler, Geschäftsführer von WindRad-Hilfen. In dem Workshop ging es unter anderem darum, wie unterschiedlich die Wahrnehmung von neurotypischen Menschen und Menschen auf dem autistischen Spektrum sein kann. Das Wissen über Neurodiversität hält nur zögerlich Einzug in frühkindliche Bildungseinrichtungen. Neurodiversität ist ebenso vielfältig wie schwer zu verstehen. Handelt es sich um eine vorübergehende Entwicklungsstufe beim Kind oder ist es ein Anzeichen für Neurodiversität? Janka Heims, Koordinatorin der Kitaverwaltung, zieht ihr Fazit: „Menschen dürfen aufgrund ihrer Neurodiversität nicht ausgegrenzt werden. Wir sollten für die Unterschiedlichkeit der Menschen und den Umgang mit ihnen sensibilisiert werden, und dabei besonders auch auf unsere Sprache achten. Wir müssen nach dem individuellen Bedarf schauen.“

Workshop „FASD aus Sicht einer Betroffenen“

mit Mylen, Betroffenenexpertin, und Kathleen Kunath, Koordinatorin der bundesweit ersten Wohngemeinschaft für Menschen mit FASD beim Sonnenhof e. V. Das Besondere an diesem Workshop war seine Authentizität. Mylen beschrieb die fetale Alkoholspektrumstörung anhand ihres Werdegangs. Sie konnte sich nicht an Regeln halten, hatte einen sehr schwierigen Alltag mit häuslicher Gewalt, bis sie auf der Straße landete und FASD bei ihr diagnostiziert wurde. Jetzt nimmt sie an einem Programm des Tannenhofs teil. Sie lebt dort und kann ihren Alltag besser meistern.

Für Mandy Kunkel, Jugendhilfestation Neukölln, war der Workshop eine Bereicherung. „Ich habe gemerkt, dass auch ich Trugschlüssen aufgesessen bin. Ich dachte immer, FASD läge an der Mutter. Es kann aber auch über den Vater durch veränderte Genome weitergegeben werden. Zu diesem Thema gibt es wenig Aufklärung und es wird zu wenig darüber gesprochen. Viele denken auch, FASD sei Autismus, was unter anderem daran liegt, dass FASD sehr unsichtbar sein kann. Man kann FASD haben, sein Abitur machen und studieren, aber im Berufsalltag große Schwierigkeiten haben und Verbindlichkeiten im Alltag nicht einhalten können.“ Zu diesem Thema wünscht sie sich für sich selbst sowie für die Fachkräfte beim Träger einen weiterführenden Workshop.

In der zweiten Workshop-Runde wurde der aktuelle Stand der Inklusion in den verschiedenen Bereichen sowie im Träger analysiert. Die Gruppen entwickelten Lösungsansätze für bestehende Barrieren und präsentierten diese später auf großen Plakaten für alle. Unmerklich wurde der Blick auf die Umgebung geschärft. Erstaunlich war, wie vielseitig die Herausforderungen sind und wie schon kleine Veränderungen, z. B. Sehhilfen, Neonstreifen an der Treppe für Menschen mit Sehbehinderung oder höhenverstellbare Schreibtische, zur Inklusion bei Jugendwohnen im Kiez beitragen können.

Am Abend folgte eine Performance der neuen und gestandenen Mitarbeiter*innen nach eigener Choreografie. Der Sonnenuntergang am See gab den Auftakt zu den Juwo-Beats mit DJ, Juwo rockt, Veggi-Food und Karaoke-Bar. Es war durch und durch gelungen – von Inklusion bis zu den Beats.

Danke an die hervorragende Organisation, an das Vorbereitungsteam, die Workshopleiter*innen und alle, die diese Teamfahrt in dieser Form möglich gemacht haben.